Tiefengeothermie und Mikroseismizität

Mit zunehmender Tiefe wird die Erde immer heißer. Diese Erdwärme stammt zum einen noch aus der Zeit der Erdentstehung, zum anderen aus Zerfallsprozessen von Elementen im Erdinneren, die stetig neue Wärmeenergie produzieren. Die Tiefengeothermie nutzt diese natürliche Erdwärme.

Die Auswirkungen der Geothermie auf die natürliche Umwelt sind mit die geringsten unter allen Energieaufsuchungsarten – gegenüber der Aufsuchung fossiler Rohstoffe ohnehin-. Vom Bau des Geothermie-Heizwerks und des Fernwärmenetzes abgesehen, liegen die möglichen Auswirkungen der Geothermie auf die natürliche Umwelt im Bereich der Mikroseismizität. Für Geothermie-Betreiber ist das Monitoring von Mikroseismizität daher zentraler Bestandteil einer nachhaltigen Bewirtschaftung. Auch wenn es vereinzelt bei Geothermieanlagen zu leicht spürbarer Mikroseismizität kam, läuft die Mehrheit der hydrothermalen Anlagen weitestgehend ereignislos nach bewährten Prozessen.

Wie alle Energieträger wird auch die Nutzung der Geothermie unter Chancen- und Risiko-Gesichtspunkten betrachtet. Zu den großen Vorteilen der Geothermie gehören:

  • die geothermische Fernwärme kann gegenüber Wärme aus fossilen Energieträgern CO2-neutral produziert werden
  • es gibt keine Beeinträchtigung der Luft durch Feinstaub, Stickoxide, Schwefeloxide usw.
  • die Geothermie ist grundlastfähig, d.h. unabhängig von Wetter, Jahres- und Tageszeit
  • die Geothermie macht unabhängiger von Energieimporten
  • sie hat einen geringen Flächenverbrauch.
  • Und: Geothermie trägt zur lokalen Wertschöpfung bei, sie schafft Arbeitsplätze vor Ort.

Im Bayerischen Molassebecken gibt es seit über 20 Jahren Wärme- und Stromgewinnung aus Geothermie – und dies mittlerweile aus ca. 20 Anlagen. Bayerische Geothermieunternehmen nutzen diese für die CO2-arme Fernwärme-Versorgung von Städten und Gemeinden sowie für die Kälteerzeugung, bei Tiefenwasser-Temperaturen von über 100 Grad Celsius auch für die Herstellung elektrischen Stroms.

So sind Kommunen – und auch privatwirtschaftliche Unternehmen – Träger einer vielversprechenden Technologie und übernehmen gleichzeitig Verantwortung für eine sichere Betriebsführung sowie eine ebenso sichere Energieversorgung der Bürger. In all diesen Jahren gab und gibt es keine Mikroseismizität mit Schadwirkung.

Günstige Voraussetzungen in der Tiefe

In Südbayern sind die geologischen Voraussetzungen günstig, um Wärme aus der Tiefe zu gewinnen. Hier, im sogenannten Molassebecken, befindet sich in ca. 2.000 bis 4.000 Meter Tiefe eine poröse, wasserführende Gesteinsschicht des Oberjuras, der Malm. Dieser enthält einen immensen Vorrat an heißem Thermalwasser, der gut zur Wärmegewinnung genutzt werden kann. Viele lokale Energieversorgungsunternehmen im nördlichen wie im südlichen Münchner Raum nutzen dies. Um aktiv für den Klimaschutz zu arbeiten, investieren bayerische Städte und Gemeinden vermehrt in Tiefengeothermieanlagen zur CO2-neutralen Wärme- und Stromversorgung.

Ergebnis der zunehmenden Erschließung ist auch ein enormer Wissenszuwachs über die geologischen Gegebenheiten in der südbayerischen Molasse. INSIDE hat das Ziel, weitere Erkenntnisse über die Vorgänge im Untergrund zu sammeln, um Tiefengeothermie und deren Erschließung im Münchner Großraum noch besser planen und betreiben zu können.

Spannungsumlagerungen durch Tiefengeothermie – Mikroseismizität

Das Prinzip der hydrothermalen geothermischen Wärme- und Stromerzeugung basiert auf der Förderung von heißen Thermalwässern, der Entwärmung obertägig und der Wiedereinleitung des abgekühlten Thermalwassers in die gleiche geologische Schicht mit Hilfe der Reinjektionsbohrung. Demnach zirkuliert wiedereingeleitetes kälteres Wasser in der Nähe des Endpunktes der Injektionsbohrung bis das Thermalwasser sich wieder nach und nach in der Tiefe erwärmt. Die Änderung der Temperatur und der natürlichen Flussrichtung des Thermalwassers kann eine Änderung des im Untergrund vorherrschenden Spannungsfeldes hervorrufen. Diese Spannungsumlagerungen können möglicherweise zu induzierter Mikroseismizität und kaum messbaren Bodendeformationen im Millimeterbereich führen. Das Monitoring von Mikroseismizität und Bodendeformation ermöglicht Veränderungen im Spannungsfeld zu erkennen und die Geothermieanlagen auf die sicherste Art und Weise zu betreiben. INSIDE betrachtet bezüglich Seismizität ausschließlich das Molassebecken. In der bayerischen Molasse wurde induzierte Seismizität in einer von der Bevölkerung wahrnehmbaren Größenordnung – jedoch ohne Schadwirkung – in der Nähe von Geothermieanlagen bislang nur in zwei Fällen gemessen.

Seismisches Monitoring von Geothermieanlagen

Induzierte Seismizität messbar, aber in aller Regel kaum spürbar

Geothermieanlagen unterliegen wie alle Bergbaubetriebe den landesweiten bergrechtlichen Auflagen. Geothermiebetreiber müssen ihre Anlagen seismisch permanent überwachen. Zusätzlich und unabhängig davon überwacht der Bayerische Erdbebendienst Seismizität und unterstützt die Behörden in der Ausweisung eines sog. Einwirkungsbereichs. Innerhalb dessen – in der Regel in einem Radius von 5 km – obliegt es dem Betreiber nachzuweisen, dass er nicht für mögliche Schäden verantwortlich ist (Bergschadensvermutung). Dies sind die behördlich verordneten Voraussetzungen. INSIDE arbeitet nun zusätzlich daran, das Prozessverständnis zu erforschen, um eine größtmögliche betriebliche Sicherheit herzustellen.

Zur Überwachung induzierter seismischer Ereignisse an geotechnischen Anlagen ist gemäß bergrechtlichen Auflagen ein seismisches Monitoring von Geothermieanlagen erforderlich. Auch und besonders für den Aspekt „induzierte Seismizität“ gilt es, die Bürgerinnen und Bürger im Umfeld von Geothermieprojekten frühzeitig mit einzubinden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz und Durchführung von Geothermieprojekten.

Bodendeformation

Unter Bodendeformation werden im Allgemeinen flächenhafte Hebungen oder Senkungen der Oberfläche verstanden. In traditionellen Bergbaugebieten ist dies ein bekanntes Phänomen, es ist aber auch bekannt, dass es z.B. durch Grundwasserbewirtschaftung dazu kommen kann. In der Tiefengeothermie gibt es dazu bisher wenig Erkenntnisse. Aufgrund der günstigen geothermischen Bedingungen im süddeutschen Raum wird das Thermalwasser üblicherweise mit geringen Drucken (meist weniger als 10 bar) gefördert und wieder injiziert, um Druck- und Volumenverhältnisse auszugleichen. Theoretische Betrachtungen lassen vermuten, dass es zu Deformationen von deutlich unter 1 Millimeter kommen kann.

Mit dem Forschungsvorhaben INSIDE werden kaum erkennbare Bewegungen im Untergrund im Hinblick auf die Nutzung der Tiefengeothermie im Großraum München untersucht.